Stein-Garten – Rezensionen

Quelle: Literatur und Kritik, Christoph Janacs
Roswitha Klaushofer, Jahrgang 1954, Instrumentallehrerin und 1996 mit dem Salzburger Lyrikpreis ausgezeichnete Dichterin der Verknappung, ist vom Feuilleton bislang kaum beachtet worden, zu unscheinbar, zu trotzig eigensinnig und „anti-postmodern“ sind ihre lyrischen Gebilde, die sie allesamt in Kleinverlagen und schwer zugänglichen bibliophilen Ausgaben publiziert, meist zusammen mit Arbeiten Bildender Künstler und, wie im vorliegenden Band „Stein-Garten“, mit zwei Kompositionen des bei Salzburg lebenden Ekmelikers Johannes Kotschy. Das Ergebnis ist ein synästhetisches Vergnügen, dem einzig eine Tonaufnahme der Lieder fehlt, um diese nicht nur lesen, sondern auch hören zu können.

Klaushofers Gedichte sind wie immer sparsam, auf das notwendigste Sprachmaterial beschränkt; wieder beherrschen Naturbilder die dunklen, schwer faßbaren Texte, aus denen immer wieder wie Leuchtfeuer Verse oder einzelne Bilder aufragen, irritierend, beunruhigend, wie die Zeichnungen des deutschen Malers und Grafikers Rolf X. Schröder (Xago). „Leergetrunken die Gläser / und doch randvoll“ heißt es einmal, und an anderer Stelle: „Es wird Neues gepflanzt / bis nach der Ernte / die Heimatlosen / wieder verschwinden / in ihre Verstecke.“ Nichts Beschauliches ist da mehr, eher latente Bedrohung spürbar gemacht.


Quelle: Leipziger Almanach, Grit Kalies
In dem schmalen stilvollen Band befinden sich sechsundvierzig Gedichte der österreichischen Autorin Roswitha Klaushofer, drei Zeichnungen des Malers, Graphikers und Texters Xago und zwei Kompositionen des freischaffenden Komponisten Johannes Kotschy.

Optisch zart, fast minimalistisch muten die interpunktionslosen Gedichte der 1954 in Salzburg geborenen Roswitha Klaushofer an. Endet das eröffnende Gedicht „Heimat“ mit den Zeilen: „Du läßt dich ein/ auf das Wort“, so läßt sich dies sicherlich auch als peotologisches Credo verstehen. Nicht nur auf die Sprache, den Satz, das Gefüge läßt sich die Autorin ein, nicht nur darin behauptet sie Heimat, sondern schon im Einzelnen, im Wort.

Die Zeilen bestehen oft aus zwei oder drei Worten oder auch aus einem, wodurch der Anspruch des Einzelnen gehoben wird. Das Wort muß stimmen. Glücklicherweise stimmt es. Klaushofer setzt und seziert Sätze mit Gefühl, und die optische Zartheit der Gebilde findet sich im Inhalt wieder. Dabei bilden Xagos eigenwillige Zeichnungen eine wunderbare Entsprechung, ähnlich minimalistisch und feinstrichig genügen sie sich in Stilisierungen, Abstraktionen und Andeutungen. Frauenbrüste, Fisch- und Vogelköpfe, tierisch belebte Formen, seltsame Gestalten und Titel, wie „Orte, zerzaust, wenn ich sie berühre“, fordern heraus, viel zu sehen.

„Manche/ verscharren ihre Träume/ unter der Erde/ zum Schutz legen sie/ Steine darauf/…“ schreibt Klaushofer in ihrem Gedicht „Steingarten“. Dem aufmerksamen Leser entgeht nicht der Gang innerhalb des Bandes. Zu Beginn werden Geburt, Heimat und Mutter („deine Augen/ halten mich fest/ wenn ich gehe.“) thematisiert. Augenblicke und Orte blitzen auf, Empfindungen der Autorin. Interessanter und paradoxer Weise vertonte Johannes Kotschy gerade die Gedichte „Stimmlos“ und „Nachtgesicht“ (Kompositionen für Stimme und zwei Celli). – Klaushofers Singstimme ist eine leise, eine feine Stimme.

Die Steinmetaphorik zieht sich durch das Buch. Nach der Epiphanie: „um zu erinnern/ umschließt der Stein/ das Verschwinden“ folgen titellose Gedichte. Die langsame Auflösung, das Verschwinden von Bezeichnungen. „Es wird hell sein/ in der Nacht/ wenn wir/ unsere Angst/ ins Feuer legen“ ist ein Gedicht, das durch Xagos Zeichnung „Zwei Silben haben die Angst“ bereits vorbereitet ist. Ein anderes („Die andere Seite/ mit dem schwarz/ …“) scheint den weggelassenen Titel Tod zu tragen.

„Unstet im Stillen/ besingen wir/ den Stein.“ endet der Band. Roger Caillois, Betrachter der Steine und des dichterischen Prozesses, hat geschrieben: „Comme les anciens Chinois, je suis porté à condidérer chaque pierre comme un monde.“ Wenn schon ein Stein die Welt sein kann, wie erst ein Steingarten.